Benzin schlägt Bergbau

Blick auf den Gletscher des Nevado Illimani in Bolivien Patrick Ginot

Verbleites Benzin war in Südamerika bis zu seinem Verbot eine stärkere Quelle von Emissionen des giftigen Schwermetalls Blei als der Bergbau. Dies, obwohl die Gewinnung von Metallen aus den Minen der Region historisch grosse Mengen Blei in die Umwelt setzte.

Den Nachweis für die Dominanz von verbleitem Benzin haben Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI und der Universität Bern anhand von Messungen im Eis eines bolivianischen Gletschers erbracht. Die Studie erscheint am 6. März 2015 in der Fachzeitschrift Science Advances.

Der Einsatz von verbleitem Benzin war in Südamerika ab den 1960er Jahren die stärkste Quelle anthropogener, also vom Menschen verursachter Bleiemissionen. Damit übertraf der Kraftstoff sogar die in diesem Erdteil rege Bergbautätigkeit, bei der auch viel Blei ausgestossen wird.

Messungen in der Nördlichen Hemisphäre hatten in der Vergangenheit bereits ergeben, dass verbleites Benzin die Emissionen aus dem Bergbau übersteigt. Ein solcher, abschliessender Nachweis fehlte bisher für die Region des Altiplano in Südamerika. In dieser Hochebene zwischen West- und Ost-Anden setzt die Metallgewinnung aus Erzen schon seit vorkolonialer Zeit grosse Bleimengen in die Umwelt frei.

Diesen Nachweis haben die Forschenden des PSI und der Universität Bern nun erbracht. Dafür verwendeten sie Messungen an einem rund 138 Meter langen Eiskern, den sie aus dem Gletscher des Nevado Illimani im Osten Boliviens bohrten. Im Eis eines Gletschers werden die seinerzeit in der Luft vorhandenen Stoffe über Jahrhunderte gespeichert. Indem man das Eis aus der Tiefe bohrt und im Labor analysiert, kann man rekonstruieren, wie hoch die Konzentrationen dieser Stoffe in der Vergangenheit waren.

Den Studienautoren ist es nun gelungen, lokale Emissionen aus dem Altiplano, die dem Bergbau zuzuordnen sind, von jenen zu unterscheiden, die aus verbleitem Benzin stammen und aus ferneren Regionen herangeweht wurden. Anhand von Messungen mit einem empfindlichen Massenspektrometer konnten sie sowohl die Bleikonzentrationen als auch die unterschiedliche Zusammensetzung der Isotope im Blei aus diesen beiden Quellen bestimmen.

Isotope sind Varianten eines chemischen Elements, die sich voneinander durch ihr jeweiliges Atomgewicht unterscheiden. Chemisch verhalten sich die verschiedenen Isotope eines Elements gleich. Durch ihr unterschiedliches Gewicht kann man sie aber in einem Massenspektrometer auseinanderhalten. Blei kommt in der Natur in Form von acht verschiedenen Isotopen vor. Die vier leichteren davon sind stabil, während die vier schwereren über die Zeit radioaktiv zerfallen. Anhand der verschiedenen Anteile dieser Isotope in einer Umweltprobe kann man bestimmen, woher das Blei kommt.

Den Fingerabdruck für verbleites Benzin fanden die Forschenden nun in dem Mengenverhältnis, mit dem die zwei schwersten unter den stabilen Bleiisotopen vorkamen. „Wir konnten nach 1960 ein reduziertes Verhältnis von Blei-208 zu Blei-207 feststellen“, erklärt die PSI-Forscherin Anja Eichler, Erstautorin der Studie. „Dieses Isotopenverhältnis weicht von dem ab, das das Blei aus den Minen des Altiplano kennzeichnet. Es stimmt vielmehr mit dem Isotopenverhältnis überein, das man in den 1990er Jahren in der Luft von Städten Chiles, Argentiniens und Brasiliens gemessen hat. Der Hauptteil des Bleis in diesen Luftstaubproben kann eindeutig auf verbleites Benzin zurückgeführt werden“, fügt Eichler hinzu.

Die Analyse der Forschenden verrät zudem, dass die anthropogenen, also vom Menschen verursachten, Bleiemissionen vor 1960 hauptsächlich durch den Bergbau in die Atmosphäre gelangten. Besonders stark war die Belastung während der Blütezeit der präkolumbianischen Kulturen Tiwanaku/Wari und der Inkas sowie im Verlauf der Kolonialzeit und dann mit zunehmender Industrialisierung im 20. Jahrhundert.

Dabei wurde Blei bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vor allem bei der Gewinnung von Silber freigesetzt, danach dominierten Emissionen bei der Zinn-, Kupfer- und Nickelherstellung. Der stärkste Anstieg der letzten 2000 Jahre ist jedoch auf den Einsatz von verbleitem Benzin nach den 1960er Jahren zurückzuführen. Damals stieg die Belastung auf das Dreifache der historischen Werte an.

Dabei trug das verbleite Benzin doppelt so viel zu den anthropogenen Bleiemissionen bei wie der Bergbau in der Region. Einen deutlichen Hinweis auf den überwiegenden Beitrag des Strassenverkehrs ab den 1960er Jahren fanden die Forschenden im gleichzeitigen Anstieg der Nitratkonzentration im Eis. Nitrat entsteht in der Luft aus Stickoxiden, die zum grossen Teil von Verbrennungsmotoren ausgestossen werden. Wie das Blei wird Nitrat bei Niederschlag aus der Luft „gewaschen“ und im Schnee bzw. im Eis des Gletschers deponiert.

Die neue Studie unterstreicht wieder einmal die Bedeutung des Verbots von verbleitem Benzin für Umwelt und menschliche Gesundheit. Blei kann, wenn es eingeatmet wird, ins Blut gelangen und schliesslich ins Gehirn, wo es sich auf die Nervenzellen giftig auswirkt. Verbleites Benzin hat sich bereits in früheren Studien als wichtige Quelle von Bleiemissionen erwiesen. „Wir zeigen jetzt, dass dies auch in einer Region gilt, die seit Jahrtausenden vom Bergbau mit seinen starken Bleiemissionen lebt.“, sagt Margit Schwikowski, Koautorin und Leiterin der Studie sowie der Gruppe für Analytische Chemie im Labor für Radio- und Umweltchemie am PSI.

Text: Paul Scherrer Institut/Leonid Leiva

http://psi.ch/i9hK Pressemitteilung auf der Website des PSI (mit Bildern)
http://www.psi.ch/lch Website des Labors für Radio- und Umweltchemie am PSI

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