Europa investiert nicht genug in die Wissensförderung

Das in Lissabon gesetzte Ziel rückt in immer weitere Ferne

Europa muss größere Anstrengungen im Hinblick auf eine echte “wissensgestützte Wirtschaft” unternehmen, wie vom Europäischen Rat in Lissabon (März 2000) gefordert wurde. Dies lässt sich dem letzten Bericht der Europäischen Kommission mit wichtigen Zahlen zu den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Innovation (2002) entnehmen. Gemäß dem von der Kommission entwickelten Gesamtindikator für Investitionen in die wissensgestützte Wirtschaft, in dem die Bereiche Forschung, Bildung und Ausbildung sowie Humanressourcen berücksichtigt werden, sind Dänemark, Schweden und Finnland hier führend, während Italien und Spanien dringend zusätzliche Ressourcen mobilisieren müssen. Ein weiterer globaler Indikator für den Übergang zur wissensgestützten Wirtschaft zeigt ebenfalls, dass die meisten europäischen Länder sich noch zu langsam in diese Richtung entwickeln.

Das für Forschung zuständige Mitglied der Europäischen Kommission, Philippe Busquin, äußerte sich hierzu wie folgt: “Europa muss mehr in die Forschung investieren, wenn es bis 2010 die wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensgestützte Wirtschaft weltweit werden will. Mit den zu geringen Investitionen in Forschung und Humankapital gefährden die Mitgliedstaaten das Erreichen des in Lissabon gesetzten Ziels. Wohlklingende Erklärungen reichen nicht aus, die Zusagen müssen auch erfüllt werden. Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation sind die Grundlage eines dauerhaften Wirtschaftswachstums, das mehr und bessere Arbeitsplätze schafft.”

Das Ziel, Europa zur wettbewerbsfähigsten wissensgestützten Wirtschaft weltweit zu machen, erfordert Investitionen in mehreren vorrangigen Bereichen (Forschung, Bildung und Ausbildung, Humanressourcen, technologisch fortgeschrittene Ausrüstung, Informatisierung der öffentlichen Dienste). Die Kommission hat daher einen Gesamtindikator entwickelt, der zum ersten Mal ein umfassendes Bild der in diesen Bereichen getätigten Investitionen gibt. Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass hier ein neuer Elan notwendig ist.

Der Abstand zwischen der Europäischen Union insgesamt und den Vereinigten Staaten ist weiterhin sehr deutlich, und dies sowohl in Bezug auf die Höhe der Investitionen als auch auf deren Wachstum. Hinter diesem Gesamtergebnis verbergen sich jedoch bedeutende Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. So liegen die nordeuropäischen Länder (Dänemark, Schweden und Finnland) an der Spitze, mit Investitionen, die in Bezug auf Höhe und Zunahme eindeutig über denen der Vereinigten Staaten liegen. Eine weitere Gruppe von Mitgliedstaaten (Griechenland, Portugal und Irland) hat in ihren Ländern eine starke Dynamik geschaffen, mit Hilfe derer sie ihren Rückstand rasch aufholen könnten.

Die meisten europäischen Länder liegen jedoch im europäischen Durchschnittsbereich (und somit im Rückstand gegenüber den Vereinigten Staaten), und einige der großen Länder (Italien, Spanien) müssen dringend zusätzliche Anstrengungen unternehmen.

Die Investitionen müssen erhöht werden – dies allein reicht jedoch noch nicht aus. Wesentlich ist ferner, dass größere Anstrengungen auch zu einer spürbaren Verbesserung der wissenschaftlichen und technologischen Ergebnisse, zu verstärkter Innovation und einer erfolgreichen Integration der neuen Technologien in das wirtschaftliche Umfeld führen. Die hier erreichten Fortschritte werden mit einem zweiten globalen Indikator gemessen, der die Leistungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten beim Übergang zur wissensgestützten Wirtschaft wiedergibt. In den meisten europäischen Ländern sind die Fortschritte noch zu langsam: bei den wissenschaftlichen und technologischen Leistungen ist zwar ein stärkeres Wachstum zu verzeichnen als in den Vereinigten Staaten, dieses ist jedoch nicht ausreichend, um bis 2010 ein mit der amerikanischen Wirtschaft vergleichbares Niveau zu erreichen.

Private Investitionen müssen gefördert werden

Die Investitionen in Forschung und Entwicklung sind der wichtigste Aspekt bei den Bemühungen, zu einer echten wissensgestützten Wirtschaft zu gelangen. Um den Rückstand gegenüber den Konkurrenten Europas in diesem Bereich aufzuholen, wurde anlässlich des Europäischen Rates in Barcelona im März 2002 für die Union das Ziel festgelegt, bis 2010 die Forschungsinvestitionen möglichst auf 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anzuheben. Die Kommission wollte mit dem 6. Forschungsrahmenprogramm 2003-2006 und den für die Vernetzung europäischer wissenschaftlicher Kompetenzen zur Verfügung stehenden 17,5 Milliarden Euro eine Wachstumsdynamik schaffen. Nun sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, hierzu beizutragen.

Seit Mitte der neunziger Jahre hat sich der Abstand zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) ständig vergrößert (praktisch verdoppelt, zu konstanten Preisen des Jahres 1995 und im Hinblick auf den Kaufkraftstandard). Im Jahr 2000 haben die Europäische Union und die Mitgliedstaaten insgesamt 164 Milliarden Euro in die Forschung investiert, gegenüber 288 Milliarden in den Vereinigten Staaten (zu jeweiligen Preisen). Dies entspricht für die Union und ihre Mitgliedstaaten nur einem Anteil von 1,9% ihrer Ressourcen, der für die Forschung aufgewendet wird, gegenüber 2,7% in den Vereinigten Staaten und 3% in Japan (2000).

Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die FuE-Tätigkeit in den großen EU-Mitgliedstaaten in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre nur wenig zugenommen hat, insbesondere in Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich, ferner zum großen Teil darauf, dass die Investitionen des Privatsektors sehr gering waren. In Europa ist der Privatsektor nur zu 56% an der Forschungsfinanzierung insgesamt beteiligt, in den Vereinigten Staaten zu 68% und in Japan zu 72%. Der größte Teil des notwendigen Zuwachses gegenüber den derzeitigen 1,9% sollte aus höheren Privatinvestitionen stammen, so dass diese 2010 zwei Drittel der Gesamtforschungsausgaben ausmachen.

Hohes, aber unzureichend genutztes Potenzial an Humanressourcen

Derzeit werden in der Europäischen Union mehr Fachleute in Wissenschaft und Technologie ausgebildet (Hochschulabschlüsse, einschließlich Doktorgrade, in wissenschaftlichen und technischen Disziplinen) als in den Vereinigten Staaten und in Japan, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur Bevölkerung (in der EU waren im Jahr 2000 etwa 0,56 neu erworbene Doktorgrade in den Bereichen Wissenschaft und Technologie je Tausend Personen der Altersgruppe 25 – 34 Jahre zu verzeichnen, hingegen nur 0,48 in den Vereinigten Staaten und 0,24 in Japan). Ferner hat der Anteil der neu promovierten Wissenschaftler an der Gesamtbevölkerung in den letzten Jahren in Europa stärker zugenommen als in Amerika.
Diese hohe Zahl ausgebildeter Fachleute bedeutet jedoch nicht, dass auch die Anzahl der Forscher größer ist als in den genannten Ländern. Absolut gesehen und umgerechnet auf Vollzeitarbeitsplätze verfügt die Europäische Union derzeit über etwa 920 000 Forscher, gegenüber 1 220 000 in den Vereinigten Staaten – d. h. ein Rückstand von 300 000 Vollzeitäquivalenten ist aufzuholen. Im Verhältnis zur erwerbstätigen Bevölkerung verfügt die EU ebenfalls über weniger Forscher als die USA oder Japan (5,40 Forscher je 1000 Erwerbstätige in der EU, 8,08 in den Vereinigten Staaten und 9,26 in Japan), wobei dieser Anteil in Europa langsamer zunimmt (jährliche Zunahme +3,03%) als in den USA (+6,21%).

In diesem Kontext sind auf europäischer Ebene bereits ergriffene oder geplante Maßnahmen zur Förderung der Berufe im Bereich der Forschung sowie der Mobilität der Forscher zwischen den EU-Mitgliedstaaten unbedingt gerechtfertigt und durch geeignete Maßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene zu ergänzen.

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Fabio Fabbi European Commission

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